Trailer

Inhalt

WE COME AS FRIENDS ist eine neuzeitliche Odyssee, eine atemberaubende Reise in das Herz Afrikas: In jenem Moment als der Sudan, das größte Land des Kontinents, in zwei Nationen geteilt wird, verfällt das Land erneut in alte Muster der "Zivilisierung" - Kolonialismus, Kampf der Herrscher, und neue blutige Kriege im Namen des Glaubens und im Namen der Territorien und Ressourcen. Hubert Sauper, der Regisseur von "Darwin's Nightmare" nimmt uns mit in seinem kleinen, selbst entworfenen und gebauten Flugzeug aus Blech und Leinwand an die unwahrscheinlichsten Orte und tief in die Gedanken und Träume der Menschen. Chinesische Ölarbeiter, UN-Friedenstruppen, sudanesische Kriegsherren und amerikanischen Evangelisten verweben ironisch Gemeinsamkeiten in diesem Film. Ein komplexes, tiefgreifendes und humorvolles filmisches Unterfangen.

Galerie

Crew

Drehbuch & Kamera: Hubert Sauper
Zusätzliche Kameras, Regieassistenz: Barney Brromfield, Xavier Liebard, Ross Turnbull
Musik: Slim Twig
Vokalistin: Malia
Schnitt: Denise Vindevogel, Hubert Sauper, Cathie Dambel
Tongestaltung: Veronika Hlawatsch
Produktionsleitung: Stéphanie Bourding, Marie Tappero, Paolo Calamita
ProduzentInnen: Hubert Sauper, Gabriele Kranzelbinder

Interview

Hubert Sauper im Gespräch mit Karin Schiefer (AFC)

„Auch wenn ich Filme in Afrika drehe, mache ich keine Filme über Afrika. Afrika ist eine Plattform, die es ermöglicht, über unsere Zivilisation und unsere Zeit zu reden“. Hubert Sauper führt in WE COME AS FRIENDS seine Reflexionen zum Thema Kolonialisierung weiter.

Was den Beginn der Dreharbeiten zu We Come As Friends vorangeht, ist die Konstruktion eines Zweisitzer-Flugzeuges, mit dem Sie von Frankreich aus nach Afrika aufgebrochen sind. Nun ist so ein kleines Flugzeug Träger unzähliger Metaphern. Was hat Sie veranlasst, dieses Fortbewegungsmittel zu wählen? Was symbolisiert es für Sie?

Hubert Sauper: Ich habe mich jahrelang theoretisch mit dem Thema Kolonisierung beschäftigt. Kolonisierung und Globalisierung sind abstrakte Begriffe, die so oft verwendet werden, dass man gar nicht mehr weiß, was sie genau bedeuten. Wenn man dieser „Pathologie“ auf den Grund geht, dann gelangt man zu einem wahnwitzigen Schluss. Kolonisierung steckt so tief in uns drinnen, dass es Teil unserer Zivilisation ist. Ich denke da weniger an die Tatsache, dass Europa die ganze Welt überfallen und zerrüttet und Millionen von Menschen vernichtet hat. Viel interessanter ist unser Mind-Set dazu. Wir, die westliche Zivilisation, agieren als Piraten, Mörder und Völkermörder und erfinden andererseits immer neue Mechanismen, um uns zu versichern, was für gute Menschen wir sind und wie sehr wir „on the good side of history“ stehen. Wir fahren nach Afrika, um die Menschen, die im Schatten leben, ans Licht zu bringen. Die Wahrnehmung davon, wo die Menschen im Licht und wo sie im Schatten leben, ist implizit in unserer kranken Weltsicht verankert. Viele Metaphern, die mit Kolonisierung zu tun haben, treffen sich im Gegenstand des Flugzeugs. Es ist Transportmittel, Symbol für technische Überlegenheit, phallisch, weiß, kommt von oben auf den schwarzen Kontinent hinunter, richten Unheil durch Bombardierungen an. Die ersten Bomben, die in der Geschichte der Menschheit von Flugzeugen aus auf Menschen abgeworfen wurden, fielen 1911 aus einem italienischen Flugzeug auf libyschen Boden. Genau an jenen Ort, an dem ich etwas außerhalb von Tripolis mit meinem Flugzeug gelandet bin. Ironischerweise genau hundert Jahre bevor die NATO Libyen bombardierte.

Dazu kommt der christliche Symbolismus, der von der UNO wenn auch unbewusst bis an die Grenzen ausgereizt wird. Gute und rettende Menschen kommen in weißen Flugzeugen aus Europa und Amerika bringen Hilfsgüter, Impfstoffe und Lebensmittel und die Afrikaner müssen sich dankbar erweisen. Gleichzeitig sind Flugzeuge Maschinen, die mit Freiheit, Träumen in Verbindung stehen und auch eine Idee des „High-Seins“ vermitteln. Dieses kleine Flugzeug war unser LSD. Das Konzept der Superiorität kann sich allerdings schnell umkehren. Wenn man in einer fliegenden Blechdose auf einem libyschen Militärstützpunkt landet, ist von Überlegen-Sein keine Rede mehr. In solchen Situationen wurde der kleine Flieger eher zum trojanischen Pferd, weil er die Leute beinahe in einen Zustand der Lähmung versetzt hat. In dem Moment, wo wir ausgelacht wurden, hatten wir schon gewonnen. Das Wichtigste für einen Filmemacher ist der Zugang zu den Menschen und den hat man in dem Moment, wo die Leute zu lachen beginnen, auch schon gewonnen. Manche hab ich dann auf eine Runde im Flieger eingeladen.

Darwin’s Nightmare hatte unglaubliches internationales Echo und eine Nominierung für den Oscar, aber auch ein juristisches Nachspiel und eine mediale/politische Verfolgung, die viel Kraft und Energie gekostet haben. Welche Frage hat Sie angetrieben, sich erneut in ein Abenteuer zu stürzen.

Hubert Sauper: Auch wenn ich Filme in Afrika drehe, mache ich keine Filme über Afrika. Afrika ist eine Plattform, die es ermöglicht, über unsere Zivilisation und unsere Zeit zu reden. Viele Dinge, die bei uns in Europa sehr abstrakt sind, sind dort konkret und transparent. Korruption ist in Afrika gewiss nicht stärker verbreitet als in Europa, sie ist dort leichter zu beschreiben. In Europa ist sie ebenso Teil des Systems, sie heißt halt dann Lobbyismus. Die Spiele sind die gleichen. Das Nachbeben zu Darwin’s Nightmare war in dem Moment, wo es geschehen ist, ein harter Schlag. Es hat mich umgekehrt sehr klar positioniert. Ich kenne meine Feinde. Letztendlich hat es mir sehr viel Energie verliehen, weil mir bewusst wurde, dass es ein System gibt, das ich nicht nur in meinen Filmen beschreibe, sondern das auch aktiv zugeschlagen hat. Umso mehr hatte ich auch Lust, wieder auszuholen. Diesmal bin ich auch mental besser auf den nächsten Backlash vorbereitet. Ich rechne jedenfalls damit. Wenn der Film nach einer Phase, wo er vor allem auf Festivals läuft, in die Kinos kommt und die Welt der Cineasten verlässt, wird es wieder gefährlicher werden. Ich bin älter und besser vorbereitet.

Warum fiel die Wahl auf den Sudan als Schauplatz Ihres neuen Films?

Hubert Sauper: Der Sudan ist ein Land mit einer jahrhundertealten Kolonialgeschichte, aber auch einer Jahrhunderte währenden Geschichte des Widerstandskampfes. Sudan war mehr oder weniger der „Hinterhof“ von Ägypten. Schon zu Zeiten der Pharaonen holten die Herrscher über den Schiffweg am Nil ihre Sklaven, Rohstoffe, Lebensmittel von dort. Später wurde der Sudan von den Ottomanen, dann von den Briten, teils von den Franzosen in Besitz genommen, auch die arabischen Länder versuchten es zu vereinnahmen. Im Prinzip ist der Sudan ein Miniaturabbild von ganz Afrika, es gibt einen arabischen und einen schwarzafrikanischen Teil, eine Hälfte des Landes ist Wüste, die andere grün, der Nil schneidet in der Mitte durch. Mit der Teilung des Sudans 2011 haben sich meine Erwartungen bestätigt, nämlich dass die Teilung des Landes etwas wie ein Fenster auf die Geschichte ist. Die Kolonialgeschichte Afrikas wurde in erster Linie dadurch determiniert, dass die Europäer Afrika in 50 kleine Stücke aufteilten und sie dann als Nationen benannten. Das größte dieser 50 Stücke war der Sudan. Aus imperialpolitischer Sicht sind große Einheiten schlecht und es gab einen unausgesprochenen Konsens darüber, dass der Sudan fallen sollte. Was die Situation noch verschärfte, war der Umstand, dass die USA einen stärkeren Fokus auf Afrika richteten. Der Sudan wurde in eine Nord- und eine Südhälfte, praktisch in eine westliche und eine chinesisch dominierte asiatische Hälfte geteilt. Eine Teilung, die sich wie ein gespielter, hundert Jahre alter Witz vor unseren Augen vollzog. Mein Wissen über die Kolonialgeschichte, das Prinzip des „Divide and rule“, die Art, wie der Schritt der Teilung als politisch notwendiger Schritt zwischen den Guten und den Bösen kommuniziert wurde, sah ich real umgesetzt. Für einen Filmemacher ein wahres Geschenk. Im Prinzip ging es nur um die Frage, wie man am besten herrschen kann. Niemand sprach davon, dass die ganze Welt aktiv daran mitarbeitete, eine neue, 2000 km lange Grenze mitten durch Afrika, mitten durch die Ölfelder zu ziehen. Jedes Kind kann den Schluss ziehen, dass das nicht lange gut gehen kann.

In We Come As Friends lassen Sie sich in ein Geflecht von Fäden ein, das genau dieses Chaos vor Augen zu führt und nicht mehr zu entwirren ist. War Sich-Einlassen auf das, was kommt, Sich-mit-den-Ereignissen-Weiterbewegen die Strategie, wenn man dieses Wort verwenden kann, mit der Sie an dieses Projekt herangegangen sind?

Hubert Sauper: Die Strategie war die, mir mit dem Flugzeug, das auch einen gewissen Effekt der Verblüffung erzeugte, einen Zugang zu schaffen. Das war in gewisser Weise sehr konzeptuell. Was dann geschah, war in keiner Weise genau planbar. Wenn man sich auf eine gewisse Wellenlänge einpendelt, dann passieren auch „Wunder“ – dass z.B. plötzlich jemand „My land, my land“ vor der Kamera zu singen beginnt. Das ist die purste Form von Dokumentarfilm. Es gibt nichts Wirklicheres für einen Filmemacher als einen starken Moment zu erleben und ihn mit der Kamera auch noch aufzuzeichnen. Da passiert etwas Enigmatisches, das sich Kino nennt. Es gibt Momente, wo man als Filmemacher genau weiß, dass jetzt der Moment da ist. In diesem Moment darf man halt keine unscharfen Bilder machen, das ist das Einzige, woran man denken muss. Teil des Konzepts war es auch, mein eigenes Leben in einen Zustand der Außergewöhnlichkeit und mich selber mental in einen außergewöhnlichen Zustand zu begeben, dass man die Welt wie in einem Drogenrausch plötzlich ganz anders sieht, allerdings ohne Drogen dafür zu nehmen, sondern durch einen gedanklichen und physischen Ausnahmezustand.

Bedeutete das auch ein Sich-Einschwingen auf diese Grundstimmung mit dem Kameramann?

Hubert Sauper: Ich war oft auch allein unterwegs und hab daher auch selbst die Kamera gemacht. Weder in Libyen noch in Ägypten bekam ich eine Genehmigung für zwei Leute. In der Regel waren wir zu zweit, manchmal sogar fünf oder sechs Leute. Meistens war ich mit Xavier Lieberd, einem französischen Freund, unterwegs, im Sudan mit Barney Broomfield. Das waren sehr enge und intensive gemeinsame Momente, wir hatten unheimlichen Spaß, weil vieles so absurd geworden ist. Bei jeder Landung war uns klar, dass es wieder Riesenstunk geben würde. was sich in den ersten Minuten meist bewahrheitet hat, wenn ein Typ in Uniform auf uns zukam, um uns mitzuteilen, dass wir „grounded“ seien. Oft bekamen wir einen Lachkrampf, weil klar war, dass es unausweichlich war. Aus diesem Ausnahmezustand ist ein Ausnahmeblick auf die Welt entstanden. Die meisten Bilder in einem Dokumentarfilm existieren deshalb, weil man selber da ist und weil man selber Teil dieser Realität ist. Wie man mit jemandem redet, wie jemand seinen Blick auf den Filmemacher wirft, das ist dann im Film zu sehen.

In Darwin’s Nightmare haben Sie über längere Zeit mit einigen Protagonisten gearbeitet, diesmal ist Ihre Vorgangsweise episodenhafter und weniger an bestimmte Personen gebunden. Wie haben Sie Ihre Gesprächspartner gefunden? Haben Sie Ihre Arbeitsweise für diesen Film grundlegend geändert?

Hubert Sauper: Dramaturgisch ist der Film wie ein Science Fiction Film aufgebaut, nämlich als eine Reise durch Zeit und Raum. Wenn man sich durch Zeit und Raum bewegt, hat man nur wenig Zeit sich nur bei einem Planeten oder einem Alien aufzuhalten. Das macht den Film härter. Wenn man Menschen in einem Film wieder begegnet, dann hat man ein heimeliges Gefühl. Das erzeugt für den Zuschauer einen gewissen Komfort. Wenn man Leute, an die man sich gerade ein bisschen bindet, nie mehr sieht, dann ist man auch als Zuschauer immer wieder in einem Ausnahmezustand und dieses Gefühl wollte ich herstellen. Ich will auf keinen Fall, dass sich der Zuschauer wohlfühlt.

War der Humor, der immer wieder zu spüren ist, oft eine Konsequenz aus den paradoxen Umständen?

Hubert Sauper: Zum Glück ist die Welt eine Aneinanderreihung von Absurditäten, in so einem Wahnsinn sind die Ironie, das Paradoxe, das Enigmatische, das Phantastische und Schöne die Überlebensanker. In der Kunstgeschichte ist es nicht anders. Die grausamsten Darstellungen der Hölle zum Beispiel sind meistens „schöne“, phantastische Kunstwerke.

Als Zuschauer versucht man immer einzuordnen, in Südsudan und Nordsudan, in Muslime und Christen, in skrupellose Konzerne und gute NGOs, in We Come As Friends landet man in einem Paradoxon zwischen Science Fiction und einer totalen Archaik. Wie konnten Sie als Weißer, wenn auch mit einer sehr reflektierten Haltung gegenüber dem Kolonialismus, in Ihrer filmischen Arbeit Ihre Position finden?

Hubert Sauper: Ich bin und bleibe ein Europäer, daran ist nichts zu ändern. Im Film habe ich meine Position sehr genau dosiert und mich selbst wie eine Figur behandelt. In einer früheren Schnittversion des Films hatte ich viel mehr von unseren Missgeschicken als Flieger drinnen. Das war sehr unterhaltsam, es machte aus uns Piloten Anti-Heroes, mit denen man sich sehr leicht identifizieren und anfreunden konnte. Wir haben an praktisch jedem Ort, an dem wir gelandet sind, mit einem Videoprojektor Projektionen mit Filmen von Buster Keaton im Flugzeug oder Filmen von uns selbst veranstaltet, was eine phantastische Stimmung erzeugt hat. Filmaufnahmen von diesen Momenten haben wir dann auch in den Film hineingenommen. Sie haben aber aus uns so genannte Gutmenschen gemacht, wie all die Goodwill-Ambassadors aus Hollywood, die dort die Kinder in die Arme nehmen. Ich habe mich aber dann als Filmfigur als jemand hingestellt, der Teil des Wahnsinns ist und nicht der nette Hubert. Natürlich sehe ich mich lieber als jemand, der gerne mit den Kindern im Dorf herumblödelt und nicht als jemand, der eine potenzielle Bedrohung für die Leute darstellt. Mir war es wichtiger, Situationen zu zeigen, wie ganz am Anfang, wenn wir in einem Dorf landen, und die Leute uns verstört fragen, was wir denn überhaupt da wollten. Ich wollte diese Ambivalenz spürbar machen, da ich keinesfalls die Position eines guten Menschen in einer bösen Welt einnehmen wollte. Das macht den Zugang zum Film schwieriger, aber intellektuell auch spannender. Wenn jemand zu mir sagt „Du willst eine Gesellschaft kritisieren, von der du selbst ein Teil bist“, dann stimme ich dem zu. Mein Flugzeug hat außerdem auch Benzin gebraucht und die Luft verpestet. So ist es.

Ihre filmischen Unternehmen haben etwas von einem extremsportlichen Abenteuer, wo Sie immer wieder auch Ihr Leben riskieren. Geraten Sie im Zuge eines solchen Projekts an Ihre Grenzen. Ist Filmemachen für Sie ein Wandeln an den Grenzen und ein Überschreiten davon?

Hubert Sauper: Ich will mich selber in einen Grenzzustand versetzen und wie schon gesagt in einem Geisteszustand sein, der einem Drogenrausch gleichzusetzen ist. Andererseits bin ich kein Adrenalin-Junkie. Ich gebe schon Acht, dass ich nicht herunterfalle. Es wirkt im Film vielleicht extremer als es war. Im Nachhinein betrachtet gab es banale Momente, die potenziell sehr gefährlich waren, spektakuläre Momente, die letztlich ungefährlich waren. Natürlich ist es ein Abenteuer und das ist wiederum etwas, das mit Kolonialismus zu tun hat. Was die Pioniere des Kolonialismus u.a. motiviert hat, waren auch Dinge wie Neugier und Abenteuerlust, das Eintreten in neue Welten und die Begegnung mit dem Unbekannten. in unserer komfortablen Zeit ist das fast schon etwas Archaisches und hat etwas von einer anderen Zeit. Manchmal fühle ich mich in unserer Zeit völlig deplatziert. Jeder redet von Sicherheit, Zukunftsvorsorge, Pension. Das halte ich für viel lebensgefährlicher als die Lebensgefahr, in die ich mich vermeintlicher Weise begebe. Die wahre Lebensgefahr sehe ich darin, ein Leben lang für eine Bank zu arbeiten und schließlich draufzukommen, dass es für nichts war. Oder mit jemandem 50 Jahre verheiratet sein, den man nicht mag und nur aus Bequemlichkeit den Schritt nicht zu setzen. Wieviele Menschen verspielen ihr Leben, weil sie sich jedem Risiko verweigern.

Die Bilder aus dem Flugzeug verleihen dem Film eine Poesie. Technik und Poesie sind auch zwei Kräfte, die Ihr Filmemachen begleiten. Assoziationen zu Antoine de Saint- Exupéry liegen in mehrfacher Hinsicht nahe. Auch im Hinblick auf den kleinen Prinzen, der in der Wüste landet und simple Fragen mit dem gerechten Empfinden eines Kindes stellt. Braucht es auch etwas von einer Unschuld im Zugang zu diesem Thema, um nicht vorgefasste Meinungen zu bestätigen?

Hubert Sauper: Ich halte Saint-Exupérys Arbeiten für phantastische Geschichten, ich habe bei der Arbeit am Film nie einen Gedanken an ihn gehabt und ich will mich auch nicht vergleichen. Natürlich muss man eine gewisse Naivität an den Tag legen und das ist auch ein Teil meiner Methode. Wenn man sich für Menschen interessiert, dann muss man das auch immer wieder in einer Reinheit, die mit dem kindlichen Interesse für die Welt vergleichbar ist, zum Ausdruck bringen. Die Dinge, die man im Film sieht, sind ja banale Dinge. Der Radioauftritt eines Politikers ist per se noch nichts Außergewöhnliches, im Kontext des gesamten Films, kann es zum Wahnsinn werden. Die koloniale Pathologie hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg im „race for the moon“ oder „race for the stars“ neu manifestiert. Die Fahne am Mond, Populärkultur von Star Wars bis Stark Trek sind ja Symbole der neuen Version des kolonialen Mindsets. Das versuchte ich auch mit dem Flugzeug als Spaceship zu interpretieren. Ich habe immer versucht, Richtungen aufzutun, damit der Zuschauer selbst auf eine Reise gehen kann.

Wann war Ihnen klar, dass hier nur ein Mosaik/ein Essay ein adäquates Bild der Umstände und Zustände, mit denen Sie konfrontiert waren, liefern konnte?

Hubert Sauper: Das Thema ist abstrakter. Ich wollte nie versuchen, etwas zu erklären. Dazu gibt es BBC und Wikipedia und ein Heer von Journalisten auf der ganzen Welt. Ich habe es auch bei Darwin’s Nightmare nie darauf angelegt, aufklärend zu wirken. Ich wollte vielmehr einen Stein auf den anderen legen, bis es ein Konstrukt wird, das einen explosiven Zustand im Kopf herstellt. Es war nie meine Absicht, die Augen zu öffnen, sondern vielmehr komplexere Gedanken in Gang zu setzen. Dass man mir dafür gratuliert, dass ich den Skandal am Viktoriasee aufgeklärt habe, kann ich nicht als Kompliment annehmen. Das war nie meine Absicht. Es ist ja das Phantastische am Kino, dass man sehr komplizierte Dinge beschreiben kann und durch einen beiläufigen Nebensatz plötzlich wie durch Alchemie etwas im Gehirn zum Platzen kommt und Erkenntnis erzeugt. Es ist eine Aneinanderkettung von kleinen Hinweisen, die indirekt ins Unbewusstsein des Zuschauers eintreten, die aber nötig sind, um die nächste oder übernächste Szene im Film zu lesen. Filme zu schneiden ist ein unheimlich interessantes Spiel. Wenn der amerikanische Botschafter sagt „We’re bringing light“, dann kann man das in einer ersten, zweiten, dritten und vierten Ebene lesen. Und wenn man es bis zur vierten Ebene liest, dann erfasst man auch den Wahnsinn. Auf einer ersten Ebene heißt es natürlich: „Jetzt habt ihr endlich Strom ihr armen, nackten Deppen und bald einmal könnt ihr so sein wie wir“ und alle applaudieren. Damit man es aber auch auf einer weiteren Ebene lesen kann, sind im Film an früheren Stellen Hinweise dazu eingebaut. Das ist ein komplexes Spiel, das auch nach hinten losgehen kann, wenn man zuviel erklärt. Die Kinosprache hat sich in den letzten Jahren sehr entwickelt hat und die Leute können Kino auch viel besser lesen. Die „visual literacy“ ist seit Darwin’s Nightmare viel subtiler geworden, die Leute haben eine differenzierteren Zugang zum Kino und verstehen es mehr, zwischen den Zeilen zu lesen. Diese Rechnung geht auf und das freut mich am meisten.